Ein Sommertag
gehe durch meine Wohnung, ordne akkurat, ich werde nicht mehr zurück kommen. Ich ziehe ein dünnes, weißes Kleid an und lasse meine Haare offen herunter fallen. Ich laufe barfuß. Heute werde ich dich besuchen, es ist eine lange Reise, doch sie geht ganz schnell.
Kaum angekommen, sehe ich dich schon. Du siehst entzückend aus, mit deinen goldenen Locken, den strahlenden grünen Augen und dem süßen Stoffkittelchen, das dir deine Großmutter genäht hat. Du spielst mit deiner Mutter am Bach und freust dich, wenn du nass wirst. Ihr Gesicht ist rein und schön, noch nicht gezeichnet von Krankheit, Verlust, Medikamenten, Alkohol...ich möchte sie umarmen, ein letztes Mal, sie so in Erinnerung behalten, auch wenn die Erinnerung nicht mehr lange bestehen wird. Ich tue es. Sie sieht sich um, ein leiser Lufthauch hat sie gestreift...du kannst mich sehen. Du lachst und sagst „Mama, eine Fee“. Sie lächelt dich an und gibt dir einen Kuss.
Ich verstecke mich hinter den Büschen und beobachte dich. Deine Unbeschwertheit ist fast schon schmerzhaft, deine größte Sorge gilt den Blumen. Du bist so jung, noch nicht drei Jahre alt. Dein ganzes Leben liegt noch vor dir. Du bist so behütet und glücklich. Bald schon, es dauert nicht mal mehr zwei Jahre, wird sich alles ändern. Doch das ist nur der Anfang. Du wirst sie verlieren, deine Mutter. Erst langsam, dann immer schneller aber unaufhaltsam. Du wirst es nicht verstehen, noch zehn Jahre lang wirst du nicht aufhören zu hoffen, dass sie wieder kommt. Es wird dir weh tun, wenn die Erwachsenen sagen, dass es nicht geht.
Jetzt gehört dir die Welt und alles ist möglich.
Bald danach wird Ersatz gefunden sein, für die anderen, du wirst im Dunkeln schreien, dass es keinen Ersatz gibt und doch hast du keine Macht. Die PERSON, die für viele, doch nicht für dich, deine Mutter ersetzt, du wirst sie nicht lieben können. Sie wird dir die Unbeschwertheit ausprügeln, du wirst nicht viel zu lachen haben in diesen Jahren. Die Schule wirst du hassen, denn du bist klug und sie werden neidisch sein. Sie werden lachen, weil du keine Markenkleidung tragen wirst. Es wird dir sehr weh tun, wenn sie dich schlagen, sei es mit Händen oder mit Worten.
Irgendwann wird die PERSON dein Leben wieder verlassen, du wirst weinen, wenn du es erfährst und nicht wissen, warum. Aber bald danach, wirst du aufblühen und wieder fröhlich sein. Gleichzeitig entfernt dein Vater sich immer mehr von euch. Du wirst Verantwortung tragen, die du nicht tragen kannst und daran zerbrechen. Er wird dir nicht helfen, selbst wenn er möchte, er kann nicht. Die nächsten Jahre werden dennoch schön sein, denn eine liebevolle Frau wird sich um dich kümmern. Du wirst sie lieben können, nahezu wie eine Mutter, du wirst sie nie vergessen, auch wenn sie wieder fort ist.
Dann wirst du schon halb erwachsen sein. Du wirst sie vermissen aber sie wird nicht weit weg wohnen. Dein Leben wird nun nicht schlecht sein, du wirst immer Geldsorgen haben, das heißt dein Vater wird sie haben und es wird dich sehr belasten. Aber damit wirst du leben können. Deine Mutter wird nun auch wieder da sein, verändert und nicht sehr oft aber sie wird da sein.
Wenn du dann 14 bist dauert es nicht lange und ER wird in dein Leben treten. Zuerst wirst du dich freuen und verliebt sein. Dann wirst du Schmerzen spüren. Wieder. Und wieder. Du wirst Liebe und Hingabe mit Hörigkeit verwechseln. Du wirst dir, ohne mit der Wimper zu zucken anhören, dass er dir beschreibt, wie er dich brechen will. Du wirst brechen und gehorchen. Die Feministin in dir wirst du verdrängen und gehorchen. Deinen Drang nach Freiheit wirst du unterordnen und gehorchen.
Nicht lange danach wirst du umziehen müssen, weit weg von deiner Heimat. Du wirst es nicht wollen aber es bleibt dir nichts Anderes übrig. Die Schule wird wieder grausam sein aber es wird dir nicht so viel ausmachen. Du wirst es bis zum Abitur schaffen. Du wirst einen Mann kennen lernen, du wirst denken, dass es „der Eine“ ist. Du wirst ihn bis zur Selbstaufgabe lieben, bis du einsiehst, wie falsch das ist und welche Konsequenzen es hat. Du wirst reifen und eine erwachsene Beziehung führen, die vielleicht wirklich ewig hält. Deine letzten unschuldigen Wünsche werden sterben müssen, du wirst naiv daran klammern wollen. Es wird sehr schmerzhaft für dich werden und in dieser Welt wirst du dich nie vollkommen zu Hause fühlen. Du wirst dich nach dem Moment zurück sehnen, als du frei und glücklich am Bach gespielt hast.
Das Telefon klingelt, deine Mutter rennt ins Haus. Du sollst hier bleiben sagt sie und nicht weglaufen. Der mittelgroße schwarze Mischling bleibt bei dir. Ich komme hinter meinen Büschen hervor und versuche dich weg zu locken. Ich reiche dir die Hand und sage „Komm, ich zeig dir was“...du zögerst und ich flüstere „Du bist wieder hier, wenn die Mama kommt“...du schaust in meine Augen und lachst, erkennst du mich? Du nimmst meine Hand und wir gehen den Weg entlang, bis zur Gabelung, wo der Wald anfängt. Hier steht ein Tollkirschenstrauch. Deine Mutter hat dir immer wieder gesagt, wie gefährlich die Früchte sind und dass du sie nicht essen darfst. Ich pflücke ein paar und gebe sie dir. Deine Augen werden groß. „Die Mama hat gesagt, die darf man nicht essen...“ sagst du schnell und willst sie nicht nehmen. „Aber ich bin eine Fee“, antworte ich. „Ich kann sie süß und ungefährlich machen“. Sie werden dir schmecken. Ich nehme eine und esse sie. Als mir gar nichts passiert, bist du überzeugt und fängst an zu essen. Acht Stück habe ich dir gegeben, das sollte reichen. Deine Mutter kommt vom Haus her und sieht, wo du bist. Panisch kommt sie angerannt, zu spät. Du hast alle Früchte aufgegessen, liegst am Boden, hast Schmerzen. Sie schreit und weint. Ich fühle deine Schmerzen mit dir, doch verglichen mit dem, was du erdulden müsstest, wenn du weiter lebst, ist es süß. Die Nachbarin ruft den Rettungsdienst. Nach endlos langer Zeit kommen sie und bringen dich ins Krankenhaus. Dein Leben hängt am seidenen Faden, bald wird deine Existenz und alles, was aus ihr folgt ausgelöscht sein. Diese Hoffnung bringt ein Lächeln auf meine Lippen zwischen all den Schmerzen, die wir fühlen.
Ich winde mich in deinen Krämpfen...ich werde leicht, schwebe...sie haben dich gerettet.
Ich wache schweißgebadet auf, ich kann mich nicht mehr an meinen Traum erinnern, doch ich fühle Schmerz und Angst. Auf einmal erinnere ich mich an einen Sommertag in meiner Kindheit, als ich eine Fee sah, die mir Tollkirschen gab. Beinahe wäre ich gestorben.
Und nochmal eine kleine Geschichte von mir *lächel*...
Kaum angekommen, sehe ich dich schon. Du siehst entzückend aus, mit deinen goldenen Locken, den strahlenden grünen Augen und dem süßen Stoffkittelchen, das dir deine Großmutter genäht hat. Du spielst mit deiner Mutter am Bach und freust dich, wenn du nass wirst. Ihr Gesicht ist rein und schön, noch nicht gezeichnet von Krankheit, Verlust, Medikamenten, Alkohol...ich möchte sie umarmen, ein letztes Mal, sie so in Erinnerung behalten, auch wenn die Erinnerung nicht mehr lange bestehen wird. Ich tue es. Sie sieht sich um, ein leiser Lufthauch hat sie gestreift...du kannst mich sehen. Du lachst und sagst „Mama, eine Fee“. Sie lächelt dich an und gibt dir einen Kuss.
Ich verstecke mich hinter den Büschen und beobachte dich. Deine Unbeschwertheit ist fast schon schmerzhaft, deine größte Sorge gilt den Blumen. Du bist so jung, noch nicht drei Jahre alt. Dein ganzes Leben liegt noch vor dir. Du bist so behütet und glücklich. Bald schon, es dauert nicht mal mehr zwei Jahre, wird sich alles ändern. Doch das ist nur der Anfang. Du wirst sie verlieren, deine Mutter. Erst langsam, dann immer schneller aber unaufhaltsam. Du wirst es nicht verstehen, noch zehn Jahre lang wirst du nicht aufhören zu hoffen, dass sie wieder kommt. Es wird dir weh tun, wenn die Erwachsenen sagen, dass es nicht geht.
Jetzt gehört dir die Welt und alles ist möglich.
Bald danach wird Ersatz gefunden sein, für die anderen, du wirst im Dunkeln schreien, dass es keinen Ersatz gibt und doch hast du keine Macht. Die PERSON, die für viele, doch nicht für dich, deine Mutter ersetzt, du wirst sie nicht lieben können. Sie wird dir die Unbeschwertheit ausprügeln, du wirst nicht viel zu lachen haben in diesen Jahren. Die Schule wirst du hassen, denn du bist klug und sie werden neidisch sein. Sie werden lachen, weil du keine Markenkleidung tragen wirst. Es wird dir sehr weh tun, wenn sie dich schlagen, sei es mit Händen oder mit Worten.
Irgendwann wird die PERSON dein Leben wieder verlassen, du wirst weinen, wenn du es erfährst und nicht wissen, warum. Aber bald danach, wirst du aufblühen und wieder fröhlich sein. Gleichzeitig entfernt dein Vater sich immer mehr von euch. Du wirst Verantwortung tragen, die du nicht tragen kannst und daran zerbrechen. Er wird dir nicht helfen, selbst wenn er möchte, er kann nicht. Die nächsten Jahre werden dennoch schön sein, denn eine liebevolle Frau wird sich um dich kümmern. Du wirst sie lieben können, nahezu wie eine Mutter, du wirst sie nie vergessen, auch wenn sie wieder fort ist.
Dann wirst du schon halb erwachsen sein. Du wirst sie vermissen aber sie wird nicht weit weg wohnen. Dein Leben wird nun nicht schlecht sein, du wirst immer Geldsorgen haben, das heißt dein Vater wird sie haben und es wird dich sehr belasten. Aber damit wirst du leben können. Deine Mutter wird nun auch wieder da sein, verändert und nicht sehr oft aber sie wird da sein.
Wenn du dann 14 bist dauert es nicht lange und ER wird in dein Leben treten. Zuerst wirst du dich freuen und verliebt sein. Dann wirst du Schmerzen spüren. Wieder. Und wieder. Du wirst Liebe und Hingabe mit Hörigkeit verwechseln. Du wirst dir, ohne mit der Wimper zu zucken anhören, dass er dir beschreibt, wie er dich brechen will. Du wirst brechen und gehorchen. Die Feministin in dir wirst du verdrängen und gehorchen. Deinen Drang nach Freiheit wirst du unterordnen und gehorchen.
Nicht lange danach wirst du umziehen müssen, weit weg von deiner Heimat. Du wirst es nicht wollen aber es bleibt dir nichts Anderes übrig. Die Schule wird wieder grausam sein aber es wird dir nicht so viel ausmachen. Du wirst es bis zum Abitur schaffen. Du wirst einen Mann kennen lernen, du wirst denken, dass es „der Eine“ ist. Du wirst ihn bis zur Selbstaufgabe lieben, bis du einsiehst, wie falsch das ist und welche Konsequenzen es hat. Du wirst reifen und eine erwachsene Beziehung führen, die vielleicht wirklich ewig hält. Deine letzten unschuldigen Wünsche werden sterben müssen, du wirst naiv daran klammern wollen. Es wird sehr schmerzhaft für dich werden und in dieser Welt wirst du dich nie vollkommen zu Hause fühlen. Du wirst dich nach dem Moment zurück sehnen, als du frei und glücklich am Bach gespielt hast.
Das Telefon klingelt, deine Mutter rennt ins Haus. Du sollst hier bleiben sagt sie und nicht weglaufen. Der mittelgroße schwarze Mischling bleibt bei dir. Ich komme hinter meinen Büschen hervor und versuche dich weg zu locken. Ich reiche dir die Hand und sage „Komm, ich zeig dir was“...du zögerst und ich flüstere „Du bist wieder hier, wenn die Mama kommt“...du schaust in meine Augen und lachst, erkennst du mich? Du nimmst meine Hand und wir gehen den Weg entlang, bis zur Gabelung, wo der Wald anfängt. Hier steht ein Tollkirschenstrauch. Deine Mutter hat dir immer wieder gesagt, wie gefährlich die Früchte sind und dass du sie nicht essen darfst. Ich pflücke ein paar und gebe sie dir. Deine Augen werden groß. „Die Mama hat gesagt, die darf man nicht essen...“ sagst du schnell und willst sie nicht nehmen. „Aber ich bin eine Fee“, antworte ich. „Ich kann sie süß und ungefährlich machen“. Sie werden dir schmecken. Ich nehme eine und esse sie. Als mir gar nichts passiert, bist du überzeugt und fängst an zu essen. Acht Stück habe ich dir gegeben, das sollte reichen. Deine Mutter kommt vom Haus her und sieht, wo du bist. Panisch kommt sie angerannt, zu spät. Du hast alle Früchte aufgegessen, liegst am Boden, hast Schmerzen. Sie schreit und weint. Ich fühle deine Schmerzen mit dir, doch verglichen mit dem, was du erdulden müsstest, wenn du weiter lebst, ist es süß. Die Nachbarin ruft den Rettungsdienst. Nach endlos langer Zeit kommen sie und bringen dich ins Krankenhaus. Dein Leben hängt am seidenen Faden, bald wird deine Existenz und alles, was aus ihr folgt ausgelöscht sein. Diese Hoffnung bringt ein Lächeln auf meine Lippen zwischen all den Schmerzen, die wir fühlen.
Ich winde mich in deinen Krämpfen...ich werde leicht, schwebe...sie haben dich gerettet.
Ich wache schweißgebadet auf, ich kann mich nicht mehr an meinen Traum erinnern, doch ich fühle Schmerz und Angst. Auf einmal erinnere ich mich an einen Sommertag in meiner Kindheit, als ich eine Fee sah, die mir Tollkirschen gab. Beinahe wäre ich gestorben.
Und nochmal eine kleine Geschichte von mir *lächel*...
Liandra - 5. Oktober, 03:26
1 Kommentar - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Asakawa Noriko (Gast) - 10. Mai, 12:31
wow
einfach spannend geschrieben... hart aber glaubwürdig... es ist einfach genial wie du einen mix aus grausamkeit und geborgenheit erstellst.... jeder satz ruft meist 2 richtungen von empfindungen auf ... *daumenhoch*
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