Mittwoch, 5. August 2009

Kurzgeschichte Pescheva

Nachdenklich stand sie an der Brüstung und betrachtete die funkelnden Sterne am dunklen Nachthimmel. Hinter ihr standen in respektvollem Abstand die anderen Hexenmeister und Hexenmeisterinnen des Rates, dessen Älteste sie war. Peschevas Augen verengten sich zu dunklen Schlitzen. Diese Kleingeister...Mit Bedenken hatte sie gerechnet, aber dieser vehemente Widerstand ging ihr auf die Nerven. Sie verfluchte die Tatsache, dass sie die anderen einweihen musste. Sie blickte die Bahnen aus Sternen entlang, bis zum Horizont und dachte an die lange Reise, die sie vor sich hatte. Sie streckte die Hand aus und glaubte fast, den schwarzblauen Himmel berühren zu können. Sie lächelte leicht. Der Turm war zwar hoch, aber so hoch nun doch wieder nicht. Sie selbst, die neun anderen Ratsmitglieder und Dorormi vom Bronzenen Drachenschwarm standen auf der großen Terasse auf der Spitze des Turmes im Freien. Es war eine kalte, aber trockene Winternacht, der ein oder andere schien zu frieren. Sie drehte sich um und betrachtete mit ihren fast schwarzen Augen die Menschen vor sich und Dorormi, die heute die Gestalt einer Hochelfe angenommen hatte. Ihre dünne, nachtblaue Seidenrobe flatterte leicht im Wind, ihre langen roten Haare fielen wallend ihren Rücken herunter. Sie schien die Kälte nicht zu spüren.
„Ich muss es tun“, sprach sie leise mit dunkler Stimme, „Dorormi weiß, warum.“
Dorormi nickte ihr zu.
„Glaubt mir Sterbliche, so etwas entscheiden wir nicht leichtfertig!“
Die anderen nickten zögerlich, einer erhob sich.
„Ich bin weiterhin der Meinung, dass es leichtsinnig ist!“
Pescheva sah ihn wütend an und fragte sich, wie Marcus Brann überhaupt Ratsmitglied geworden war. Er war dumm, feige und arrogant dazu. Sie würde sich von ihm nicht aufhalten lassen.
„Morgen mache ich mich auf die Reise“, sprach sie kalt, „Lucia wird solange die Geschäfte des Rates führen.“ Sie vollführte eine kurze Handbewegung und war verschwunden.

Zitternd vor Wut stand sie in ihrem Schlafzimmer und starrte in den Spiegel. Langsam streifte sie ihren Schmuck ab. Sie legte das Siegel des Hexerrats, einen auffälligen Rubin und den silbernen Schlangenring mit dem schwarzen Diamanten der sie mit Lorejna verband vorsichtig in ihre Schatulle. Diese Stücke mussten hierbleiben. Sie nahm stattdessen einen dünnen, alten Goldreif mit einem kleinen blauen Schmuckstein heraus. Dieser hier sollte ihr Glücksbringer sein. Sie streifte ihn über ihren rechten Ringfinger und betrachtete sich weiter im Spiegel. Ihre eigenen Augen waren inzwischen pechschwarz, fast hatte sie selbst ein wenig Angst davor. Gut so...sollten die anderen sie nur fürchten – ihr Mund formte sich zu einem teuflischen Grinsen. Sie ging zu ihrem Schrank und suchte den alten, mittlerweile etwas schäbigen dünnen Holzstab hervor. Den würde sie auf jeden Fall brauchen. Sie legte ihn vorsichtig auf ihre Kommode.
„Lorejna, ich brauche dich“, flüsterte sie. Nach einigen Minuten klopfte es an der Tür und nach ihrer Erlaubnis betrat Lorejna das Schlafzimmer.
„Du musst packen, es ist soweit, ich werde ich abreisen.“ Sie zeigte auf die Kommode, „Der Stab muss mit“, sie lächelte leicht, „ebenso ein paar schlichte Kleider. Morgen Früh bist du fertig!“
Eiligen Schrittes verließ sie den Raum und ging den dunklen Flur entlang. Ihre Füße versanken fast in dem dicken roten Teppich. Sie entzündete kein Licht, und tastete sich langsam zur Tür am Ende des Korridors vor. Langsam, um ihn nicht zu wecken, drückte sie die Klinke hinunter und öffnete die Tür einen Spalt weit. Er hatte noch Licht. Mit einem verführerischen Lächeln betrat sie den Raum. Er saß an seinem Schreibtisch über ein Buch gebeugt und studierte es aufmerksam. Leise trat sie näher und beugte sich über seinen Nacken. Er spürte ihren warmen Atem und drehte sich mit einem Lächeln zu ihr um. „Ist es schon so spät meine Liebe?“, er hob die Hand und strich sanft über ihre Wange.
„Nein, aber ich werde morgen sehr früh abreisen. Ich wollte dich noch einmal sehen!“
„Du sagst mir nicht, wohin oder?“
„Nein Liebster“, sie versiegelte seine Lippen mit einem Kuss und zerwühlte seine kurzen, dunklen Haare.
Er zog sie vorsichtig von sich und stand auf. „Dann lass uns die Nacht zusammen verbringen.“ Er ergriff ihre Hand und zog sie zu seinem großen Bett. Sie setzte sich neben ihn und sah ihm tief in die Augen. Leise flüsterte sie: „Es ist schön, dass du immer bei mir bist.“ Er lächelte ihr zu. „Natürlich bin ich das“, antwortete er liebevoll und nahm sie wieder in den Arm.

Am nächsten Morgen erhob sie sich früh, die Sonne war noch nicht aufgegangen. Er lag neben ihr und schlief fest. Sie strich ein letztes Mal durch sein Haar, über sein Gesicht und küsste ihn leicht auf die Stirn. „Auf Wiedersehen“, flüsterte sie und verließ eilig das Zimmer.
In ihrem eigenen Raum stand ihr Reisegepäck schon bereit. Von Lorejna war keine Spur zu sehen. Vielleicht war es besser so. Sie kleidete sich zügig an, dieses Mal in eine etwas ältere Robe, die mit einem hübschen Blättermuster verziert war. Sie zog die Kapuze ihres Umhangs tief ins Gesicht, ergriff ihr Gepäck und verließ leise das Haus. Dorormi erwartete sie schon, geduldig lächelnd saß auf der kleinen Holzbank im Hof. Pescheva trat vor sie und verbeugte sich tief.
„Ich bin bereit!“, flüsterte sie.
Dorormi lächelte und ergriff ihre Hand. „Ich weiß Kind, ich weiß. Schließ die Augen.“
Dorormi bewegte kurz die Hand und Pescheva glaubte, den Boden unter den Füßen weggerissen zu bekommen. Plötzlich wurde es warm um sie herum, sie sah Sonnenlicht durch ihre geschlossenen Augenlieder scheinen. Sie öffnete die Augen und sah sich neugierig um. Sie stand mitten in der Wüste von Tanaris.
Dorormi fasst sie am Arm. „Wir sind bei den Höhlen der Zeit. Hier wird die Reise beginnen und enden. Wann auch immer du zurückkehren wolltest, ich war für dich da!“, sprach sie mit rätselhafter Stimme. „Komm einfach an diesen Ort, wenn es soweit gewesen sein wird!“
Pescheva nickte leicht. „Ich danke Euch, Dorormi, dass Ihr mir bei dieser Angelegenheit helft“, sie neigte leicht den Kopf, „Ich weiß, dass dies nicht selbstverständlich ist und ich kenne die Regeln.“
Dorormi nickte ihr zu. „Ich werde jetzt das Portal für dich öffnen, wir werden uns gesehen haben!“.
Sie bewegte ihre Hände und sprach ein paar unverständliche Worte. Vor ihr öffnete sich ein blauer Sog, der in die Unendlichkeit zu führen schien. Pescheva trat auf das Portal zu und streckte langsam die Hand aus.
„Geh nun“, flüsterte Dorormi, „ich kann es nicht ewig offenhalten“, sie kicherte plötzlich, „obwohl – in gewisser Weise schon. Wenn man bedenkt dass, ... Ach geh einfach!“ Sie schien über irgendetwas sehr erheitert, das wohl über den menschlichen Verstand hinaus ging. Pescheva lächelte leicht. „Drachen“, dachte sie. Sie trat noch einen Schritt auf das Portal zu, schloss ihre Augen und sprang hinein.

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